Aktuelles
Katholikentag 2014 – Bericht von Dr. Beate Beckmann-Zöller
In den drei Veranstaltungen, in denen ich aktiv beteiligt war, wurden einige Brücken gebaut,
aber nicht alle begangen.
1. „An der Hand des Herrn“ – mit Edith Stein Brücken bauen. Eucharistiefeier mit H. Herrn
Bischof Dr. Karl-Heinz Wiesemann am Samstag, 31. Mai 2014, 8.00 Uhr, St. Emmeram,
Emmeramsplatz 4, Regensburg
Dr. Katharina Seifert, Präsidentin der Edith-Stein-Gesellschaft, eröffnete den Gottesdienst mit
einer Ansprache zu einigen Brücken-Erlebnissen Edith Steins, z. B. erhielt sie ihr
Stellenangebot als erste Frau in der Philosophie (bei Edmund Husserl) auf der Brücke über
die Freiburger Dreisam. Es sollten im Gottesdienst mehrere Brücken gebaut werden, z. B.
konkret beim Vater-unser eine über die Bankreihen hinweg und zwischen dem Altarraum und
dem Volk. Sogar der Zelebrant Dr. Karlheinz Wiesemann (Bischof von Speyer, zuständig für
die Edith-Stein-Gesellschaft) und ca. 12 weitere Konzelebranten (darunter der Kardinal von
Bombay, Erzbischof Zollitsch und der Ordensgeneral der Karmeliten P. Ulrich Dobhan)
faßten sich und das Volk an den Händen – die Brücke war geglückt. Die wichtigste Brücke
war mir die zwischen Lobpreismusik und Orgel, zwischen traditionellen Katholiken, die Edith
Stein (eine Heilige des 20. Jhs) verehren, und der Musik des 21. Jhs: Neue geistliche Lieder
und auch traditionelle Gottesloblieder wurden auf Lobpreis-Art gespielt. Und nicht zuletzt hat
Bischof Wiesemann – sehr zu recht – die Brücke zwischen Glaube und Denken, zwischen
Intellekt und dem ganz einfachen christlichen Tun im Alltag bei Edith Stein betont.
Hier noch mein Text im Liedblatt zur Edith-Stein-Messe:
„Edith Stein und Regensburg und Landshut
Aus Regensburg erhielt die heilige Philosophin Edith Stein (12.10.1891-9.8.1942) vor allem
Unterstützung für ihre wissenschaftliche Arbeit: Am 4.9.1931 bewilligte ihr hier die Görres-
Gesellschaft ein Stipendium, mit Hilfe dessen sie Potenz und Akt (Edith-Stein-
Gesamtausgabe = ESGA 10) schreiben konnte. Mit diesem Werk wollte sie die Schätze der
katholischen Philosophie, die in einer „mittelalterlichen“ Nische feststeckten, für die
Philosophie der Gegenwart freilegen und mit der modernen Gesellschaft ins Gespräch
bringen. Was Edith Stein als berufstätige Laien-Christin mit ihrer Tätigkeit in der
Wissenschaft und der Erwachsenen-Bildung letztlich wollte, drückt sie in folgendem Brief
aus: „[…] wenn ich darüber [über Gott und sein übernatürliches Reich] nicht sprechen sollte,
würde ich wohl überhaupt auf kein Rednerpult hinaufgehen. Es ist im Grunde nur eine kleine,
einfache Wahrheit, die ich zu sagen habe: wie man es anfangen kann, an der Hand des Herrn
zu leben.“ (ESGA 2, Br. 150, 28.4.1931) Später als Ordensfrau erhielt sie Bücher für ihr
Hauptwerk Endliches und ewiges Sein aus Regensburg (ESGA 3, Br. 414), zugleich aber auch
einen leisen „Rüffel“ vom P. Provinzial, er könne nicht weitere Zugeständnisse – wie die
Freistellung von den Erholungszeiten gemeinsam mit den anderen Karmelitinnen – gewähren,
in ihrem eigenen Interesse, denn es gelte: „Erst das (Karmel-)Leben, dann das
Philosophieren!“ Sicher auch eine Formel für die Burn-out-Prophylaxe für uns berufstätige
Laien heute! Zu Lebzeiten scheint Edith Stein nicht in Regensburg gewesen zu sein, erst
posthum „kam“ sie in die Nähe: Als eine von sechs Frauen unter 129 bedeutenden
Persönlichkeiten Deutschlands steht seit 2010 ihre Statue in der Walhalla als „heilige Nazi-
Gegnerin“, wie die SZ titelte. Seit 2013 gibt es in Regensburg eine Edith-Stein-Straße; auch
ein Wohnheim und Schulen tragen ihren Namen.
Mit Landshut ist Edith Stein verbunden durch ihre Zeit als Seminar-Lehrerin in Speyer (1923-
1931), das damals als Teil der Pfalz übrigens auch noch zu Bayern gehörte. Sie lernte in
München durch ihre eigenen Schülerinnen, die Dominikanerinnen aus Speyer, die
Zisterzienserin Sr. Callista Brenzing (Abtei Seligenthal) kennen. Am 11./12.4.1931 besuchte
Edith Stein Sr. Callista in ihrem Kloster Seligenthal. Von ihrem großem Gottvertrauen zeugt
folgender Brief an Sr. Callista: „So will ich Ihnen nur sagen, daß ich glaube, der Abstand
zwischen Vermögen [= meinem Können] und [der] Aufgabe [, die mir gestellt ist,] sei bei mir
noch viel größer als bei Ihnen und nur im Vertrauen auf Gottes Beistand zu ertragen.“ (ESGA
2, Br. 231) Edith Stein schrieb ihr am 29.4.1929 über ihre Erfahrungen in der Benediktiner-
Abtei Beuron – und wir wünschen unseren Gottesdienst-Besuchern: Mögen Sie dasselbe vom
Katholikentag in Regensburg sagen können: „Was man von dort mitbringt, ist dauerhaft.
[…Man] kann […] dort einen Schatz sammeln, der lange nährt und alles verdauen hilft, was
von außen kommt.“ (Brief 70) Dr. Beate Beckmann-Zöller“
2. „Wir glauben an den Heiligen Geist, der lebendig macht. Pfingstliche Aufbrüche in den
Konfessionen“ – Sa, 31.5.14, 14.30-16h.
In diesem Podium des Ökumene-Zentrums wurden Bücken zwischen den Konfessionen
gebaut, auf einigen ging man in der Veranstaltung aufeinander zu, andere hingegen wurden
ignoriert. Ich war eingeladen, einen Impuls zur Sel. Elena Guerra (vgl. meine Monographie
„Frauen bewegen die Päpste. Leben und Briefe von Hildegard von Bingen, Birgitta von
Schweden, Caterina von Siena, Mary Ward, Elena Guerra und Edith Stein“, Augsburg 2010)
zu halten und damit eine Brücke zwischen Traditions-Katholiken und pfingstlichen
Strömungen in den Konfessionen (kath. und ev. Charismatiker und Pfingstliche Freikirchler)
zu schlagen.
Elena Guerra hatte am Ende des 19. Jhs eine Brücke zur Hierarchie der Amtskirche zu Papst
Leo XIII. gebaut, der auf ihren Impuls hin das 20. Jh. mit dem Gebet zum Hl. Geist eröffnete.
Allerdings fiel der Heilige Geist – mit pfingstlicher Kraft – zunächst nicht auf Katholiken,
sondern baute – er weht eben, wo er will – eine Brücke zu Christen ohne Kirchenbindung:
Am 1.1.1901 empfing Agnes Ozman (30jährige methodist. Bibelschülerin) die Gabe der
Glossolalie, nachdem für sie um die „Taufe im Hl. Geist“ gebetet worden war, und nach ihr
weitere Schüler der Bibelschule von Charles Fox Parham in Topeka/Kansas. Erst 1967 – nach
dem II. Vatikanum und seiner Öffnung für Ökumene und der Bereinigung der Beziehungen
zum Judentum – kam der Hl. Geist mit übernatürlichen Wirkungen auch zu Katholiken
(Duquesne-Uni Pennsylvania, USA), so dass die CE (Charismatische Erneuerung) entstand.
Nach Peter Hocken (Die Strategie des Hl. Geistes, Ravensburg 1994) fällt der Hl. Geist in der
umgekehrten Reihenfolge, wie sich die Spaltungen in der Kirchengeschichte ereigneten:
Zuerst erreicht er mit den Charismen diejenigen, die am weitesten weg von der Amtskirche
sind: Angehörige von Freikirchen ohne Kirchenbindung, dann zu protestantischen
Denominationen, es folgen reformierte und lutherische Gemeinschaften, dann Katholiken,
Orthodoxe und messianische Juden (die erste Spaltung überhaupt ereignete sich zwischen
Judenchristen und Heidenchristen).
Als Konsequenzen für uns ergibt sich der Auftrag, unsere Beziehungen zum Judentum zu
klären, die Mauern, die der Hl. Geist wegnimmt, nicht wieder hochzuziehen, sondern Brücken
zueinander zu bauen. Zentral ist dabei die Er-gänz-ung, die der Hl. Geist bringt – wir werden
durch ihn ganz:
Männer und Frauen können sich im Dienst in der Kirche ergänzen, ohne dadurch
Unterschiede zwischen den Geschlechtern einzuebnen.
Laien und Hierarchie ergänzen einander, die „Amtskirche“ wird nicht durch Laien ersetzt.
Freies spontanes Strömen des Hl. Geistes und der Rhythmus des Kirchenjahres (der
Tageszeiten-Gebete, Sakramente).
Das geschichtliche Erbe und die neue Aktualisierung der Hl. Schrift.
Anschließend betonte Stefan Vatter (freikirchlicher Pastor aus Kempten) das Wiedergeboren-
Werden und Kind-Gottes-Werden, das für jeden Menschen wichtig sei. Ich versuchte, eine
Brücke für die Katholiken im Podium zu bauen, indem ich darauf hinwies, dass Edith Stein
ebenfalls auf das Wiedergeboren-Werden im Heiligen Geist pocht und es daher keine
amerikanisch-pfingstliche Sonderlehre, sondern auch „gut katholisch“ sei. Diese Brücke
wurde jedoch nicht wertgeschätzt, die Geschichte Gottes mit heiligen Vorbildern sei
unwichtig, so lange die Aufforderung zum Wiedergeboren-Werden von Jesus selbst
ausgesprochen wurde. Die Wertschätzung für die jeweils andere konfessionelle Art des
Zugangs halte ich allerdings für eine Voraussetzung für gelungene Ökumene! Ein sehr guter
Brückenschlag kam von Gerhard Proß (evangelisch, CVJM Eßlingen), der den Prozess des
überkonfessionellen „Miteinander für Europa“ schilderte und vor allem auch die Versöhnung,
die durch einen katholischen Ordenspriester so wunderbar eingeleitet wurde, der spontan um
Vergebung bat für alles Unrecht, was Katholiken Angehörigen von anderen Konfessionen
angetan hatten. Gerhard Proß legte eine gewichtige Aussagekräftige Folie auf: "500 Jahre
Trennung sind genug!" Er schilderte den Prozess zwischen Laien, mit der Hierarchie und
auch die Ökumene der Spiritualitäten. Es gab tatsächlich positive Reibungspunkte, ein
gelungenes Podium.
3. 25 Jahre Mauerfall - gelungene Ökumene für Gerechtigkeit und Frieden. Ein Workshop in
einem Klassenzimmer mit 25 Zuhörern - sehr gelungen!
Jugendliche, die echt intensiv zuhörten - es war auch spannend, dem Zeitzeugen und
damaligen evangelischen Jugendwart Albrecht Kaul (CVJM, junger Rentner aus Sachsen,
jetzt Kassel) zu zuhören. Bernd Oettinghaus (ev. Pfarrer in Frankfurt a. M.) stellte die Vision
der „Projektgruppe 3.10.“ vor, was das spirituelle und menschliche Zusammenwachsen von
Ost und West betrifft und vor allem den Aufruf, Gottes Wundertat in der deutschen
Geschichte zu würdigen! 25 Jahre Mauerfall, 24 Jahre Wiedervereinigung. Wie sagen wir
Gott „danke“? Zu 20 Jahren Deutsche Einheit hat die Stadt Frankfurt a. M. einen
„Verkaufsoffenen Sonntag“ organisiert - das „goldene Kalb“ hat uns aus Ägypten geführt? Es
ist nicht leicht, neue Rituale für einen bisher nicht traditionsbesetzten Feiertag zu finden, das
war mein Thema, und der Hinweis auf die Notwendigkeit, Heilung unseres Nationalgefühls
zu erleben. Brauchen wir nationale Symbole wie Nationalhymne oder Deutschlandfahne gar
nicht? Doch, der gesunde Umgang damit, den wir der nächsten Generation beibringen, hilft
uns zur Prophylaxe gegen Rechtsextremismus auf der einen Seite und auf der anderen Seite
dagegen, dass wir wie eine "Kuh gemolken" werden aus nicht verarbeiteten Schuldgefühlen
heraus. Als Land anderen gerne von unserem Wohlstand geben, in dem Maß wie es gut ist,
uns aber nicht ausnutzen lassen – das ist die politische Aufgabe. Dazu trägt ein gesundes
nationales Selbstgefühl bei, so wie wir Selbstliebe als Voraussetzung für Nächstenliebe
brauchen. Und die kommt aus der Liebe Gottes zu uns, als einzelne und als Land. Gott
schenkte uns das Wunder der friedlichen Revolution.
Wir kamen in ein gutes Gespräch mit den Workshopteilnehmern, von denen einige ganz
erstaunt waren, wie es dieses Thema in das Katholikentags-Programm geschafft hat. Ich bin
mehr denn je motiviert für den ökumenischen Gebetspilgerweg, der vom 3.10. bis zum
9.11.2014 entlang der dt.-dt. Grenze führen wird! www.3-oktober.de
Dr. Beate Beckmann-Zöller